Nach Schüssen in der Hauptstadt Freetown hat der Präsident von Sierra Leone verkündet, dass die meisten Anführer eines Angriffs auf eine Militärkaserne verhaftet worden seien.
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bso./(Reuters) Der Präsident von Sierra Leone, Julius Maada Bio, hat am Sonntagabend nach den Angriffen bis jetzt nicht identifizierter Bewaffneter erklärt, dass es einige Festnahmen gegeben habe. Die Ruhe sei wiederhergestellt. Zuvor hatte die Regierung nach Schüssen in den frühen Morgenstunden eine landesweite Ausgangssperre verhängt.
Die meisten Anführer eines Angriffs auf eine Militärkaserne in der Hauptstadt Freetown am Sonntag seien verhaftet worden, sagte Bio. Er fügte hinzu, dass Sicherheitsoperationen und Ermittlungen im Gange seien. «Wir werden dafür sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden», sagte Bio im nationalen Fernsehen. «Als Ihr Oberbefehlshaber möchte ich allen Einwohnern Sierra Leones versichern, dass wir diese Herausforderung gemeistert haben.»
Zuvor hatte die Regierung mitgeteilt, dass die Sicherheitskräfte «abtrünnige Soldaten» zurückgeschlagen hätten, die in den frühen Morgenstunden des Sonntags versucht hatten, in ein militärisches Waffenlager in Freetown einzubrechen. Eine landesweite Ausgangssperre wurde verhängt. Überall in der Stadt waren Schüsse zu hören, als die Angreifer ein Gefängnis und eine Polizeiwache angriffen. Es war nicht sofort klar, ob es Verletzte gegeben hatte.
Der ehemalige Präsident des Landes, Ernest Bai Koroma, teilte in einer Erklärung mit, dass ein Wachmann, der in seiner Residenz in der Hauptstadt stationiert war, erschossen worden sei, während ein anderer an einen unbekannten Ort verschleppt wurde. Koroma sagte nicht, wer den Wachmann erschossen hatte. Er verurteilte die Tötung und den Angriff auf die Kaserne. «Ich bin zutiefst besorgt darüber, dass unser geliebtes Land erneut einer solchen Unsicherheit ausgesetzt ist.»
Die Zivilluftfahrtbehörde des westafrikanischen Landes hatte die Fluggesellschaften aufgefordert, ihre Flüge zu verlegen, nachdem die Ausgangssperre verhängt worden war.
Ein Soldat an der Grenze zum Nachbarland Guinea erklärte gegenüber Reuters, sie seien angewiesen worden, die Grenze zu schliessen. Ein Reuters-Journalist, der zuvor beobachtet hatte, wie eine bewaffnete Gruppe von Männern ein Polizeifahrzeug in der Nähe der Wilberforce-Kaserne beschlagnahmt hatte, berichtete, dass die Strassen am Sonntag grösstenteils leer gewesen seien, da sich die Bewohner versteckt hielten. «Wir werden diese Gesellschaft säubern. Wir wissen, was wir vorhaben. Wir haben es nicht auf normale Zivilisten abgesehen – die sollen ihren normalen Geschäften nachgehen», soll einer der maskierten Männer in Militärkleidung gesagt haben, bevor er davonfuhr.
Umstrittene Wiederwahl
Die Lage in Sierra Leone ist angespannt, seit Bio im Juni wiedergewählt wurde, ein Ergebnis, das vom wichtigsten Oppositionskandidaten abgelehnt und von internationalen Partnern wie den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union infrage gestellt wurde. Im August 2022 waren bei regierungsfeindlichen Protesten in Sierra Leone, das sich immer noch von den Bürgerkriegsjahren zwischen 1991 und 2002 erholt, in denen mehr als 50000 Menschen ums Leben kamen, mindestens 21 Zivilisten und sechs Polizisten getötet worden. Bio erklärte, die Proteste seien ein Versuch, die Regierung zu stürzen.
In seiner Ansprache an die Nation am Sonntagabend rief Bio die politischen und die traditionellen Führer Sierra Leones sowie die Zivilgesellschaft auf, sich für die Erhaltung des Friedens einzusetzen. «Lasst uns nicht der Angst oder der Spaltung erliegen», sagte er.
Informationsminister Chernor Bah sagte am Sonntag, die Sicherheitskräfte machten Fortschritte bei der Festnahme der an dem Anschlag beteiligten Personen, nannte aber keine weiteren Einzelheiten. Ein in sozialen Netzwerken veröffentlichtes Video zeigt drei Männer, zwei in Uniform und einen in Zivil, die mit auf dem Rücken gefesselten Armen in einem von Soldaten umgebenen Militärlastwagen sitzen. Reuters konnte die Echtheit des Videos nicht prüfen.
Überfall auf Gefängnisse – Inhaftierte auf freiem Fuss
Bah sagte, dass grössere Haftanstalten, darunter das Gefängnis in der Pademba Road, angegriffen und die Insassen von den nicht identifizierten Angreifern befreit worden seien. Es war nicht sofort klar, wie viele Gefangene aus der Einrichtung ausgebrochen waren, die laut einem Bericht des amerikanischen Aussenministeriums für 324 Insassen ausgelegt war, in der aber 2019 mehr als 2000 Insassen untergebracht waren.
In Videos, die in sozialen Netzwerken gepostet wurden und deren Authentizität nicht von Reuters überprüft werden konnte, sind mehrere Menschen zu sehen, die aus dem Bereich des Gefängnisses flohen, während im Hintergrund Schüsse zu hören waren. «Die Sicherheitskräfte waren gezwungen, einen taktischen Rückzug anzutreten. Die Gefängnisse wurden daraufhin überrannt.»
Die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten verurteilte den Versuch einiger Personen, «an Waffen zu kommen und die verfassungsmässige Ordnung in Sierra Leone zu stören». Die amerikanische Botschaft in Freetown erklärte, solche Aktionen seien nicht gerechtfertigt. Seit 2020 hat es in West- und Zentralafrika acht Militärputsche gegeben.
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